Weihnachten - jedes Jahr dasselbe
In unserer Familie wird jedes Jahr Weihnachten gefeiert, und zwar immer
am 24. Dezember. Einen besseren Termin fanden wir nicht, da an diesem Tag
im Fernsehen immer so gute Filme laufen. Außerdem muss Papa an diesem Tag nie
arbeiten.
Der Tag beginnt jedes Jahr gleich. Papa zieht los in den Wald und
fährt einen Tannenbaum um. Meistens wird er aber doch dabei erwischt und muss
viel mehr Strafe zahlen als der Baum auf dem Christbaummarkt um die Ecke
gekostet hätte. Während Papa mit dem Weihnachtsbaum kämpft holt Mama die Kekse
vom letzten Jahr aus der Tiefkühltruhe und backt sie wieder auf.
Abends kommt dann immer Tante Fettel zu uns; das Essen verpasst sie
nie. Tante Fettel ist doppelt so dick wie hässlich. Zum Fasching geht sie immer
als Gletscher verkleidet. Papa sagt im Geheimen immer, wenn sie in den Wald
kackt, nennt man das eine Erdmoräne. Vor Jahren kamen noch viele Verwandten zu
uns; aber seit der großen Pilz-Auflauf-Vergiftung vor 3 Jahren kommen sie
nicht mehr. Nur die dicke Tante Fettel, die ließ sich auch von Giftpilzen nicht
abschrecken.
Punkt 6 Uhr gibt es immer essen. Mama holt das Tier, das Papa
am Tag zuvor überfahren hat, aus dem Backofen. Papa nennt es immer
Steinkohlebraten. Wer von uns allen herausfindet, ob die Reifenspuren von
seinem oder von Mamas Auto stammen, bekommt einen Nachtisch. Während des Abendessens
schauen wir uns einen Film nach dem anderen an. Derweil fressen wir bis wir
schier platzen.
Um das viele Essen etwas zu verdauen spielen wir dann immer Die
Pauschalreise nach Jerusalem. Obwohl wir nur 5 Personen sind, brauchen wir
12 Stühle, denn wenn sich Tante Fettel auf einen einzigen Stuhl setzt, bricht
der in sich zusammen. Wenn Papa dann so richtig besoffen ist, spielt er immer
Rückreise nach Jerusalem: Er alleine und 10 Stühle; aber er verliert
meistens.
Um 8 Uhr ist dann Bescherung. Plötzlich kommt ein
sturz-betrunkener Sozialpädagogikstudent aus seinem Zimmer herunter ins
Wohnzimmer und singt: "BAFÖG BAFÖG Trallalalala". Und dann schlägt
ihm Papa eine aufs Maul, um ihn ruhigzustellen. Dann gibt es Geschenke: Papa
kriegt von Mama ein Rasierwasser, Mama kriegt von Papa ein Parfüm, Jahr für
Jahr das gleiche. Ich kriege immer den aktuellen Quelle-Katalog mit vielen
bunten Bildchen zum Ausschneiden. Papa sagt dann immer, dass ich all die
schönen Dinge eines Tages kaufen kann, wenn ich mal selber Geld verdiene.
Tante Fettel kriegt nie was, denn sie isst es sowieso immer gleich
auf. Wenn sie dann traurig ist, tröstet sie Papa immer mit der Erklärung, dass
der Weihnachtsmann nicht zu ihr käme, da er Angst hätte, sie würde ihm seine
Rentiere auffressen.
Um 11 Uhr kommt der letzte Film; Mama räumt noch auf während
Papa sternhagelblau auf dem Sofa rumlümmelt und noch die eine oder andere
Ansprache an die Weltbevölkerung hält. Tante Fettel isst noch die Reste vom
Weihnachtstisch auf und schläft dann auf dem Sofa ein. Der
Sozialpädagogikstudent wird von seinen Kumpels abgeholt, um noch einen Heben zu
gehen. Und ich nehme meinen Quelle-Katalog mit aufs Zimmer, um zu schauen, wie
viele Seiten er gegenüber dem alten mehr hat.